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Deutschland: Masterplan für Umnutzung von Kirchengebäuden gefordert

Experten rechnen damit, dass die beiden grossen christlichen Kirchen Deutschlands sich von rund einem Drittel ihrer Immobilien trennen müssen. Als Vorbild in diesem Prozess könnte Belgien dienen.

Deutschland braucht nach Ansicht einer Expertin dringend einen Masterplan für die Umnutzung nicht mehr benötigter Kirchengebäude. «Es muss jetzt etwas passieren», sagt Manuela Klauser, Mitarbeiterin der Forschungsgruppe Sakralraumtransformation der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Sie plädierte für einen Masterplan nach belgischem Vorbild, wo Kommunen und Kirchen gemeinsam nach neuen Verwendungen für nicht mehr benötigte kirchliche Immobilien suchen. Schätzungen zufolge müssten sich die beiden grossen christlichen Kirchen insgesamt von 30 Prozent ihres Immobilienbestandes trennen, darunter neben Kirchen auch Nutzgebäude. Experten befürchteten, dass ohne die Unterstützung der öffentlichen Hand vor allem der Erhalt vieler Kirchengebäude des 20., aber auch des 19. Jahrhunderts auf dem Spiel stehe, warnte die Kunsthistorikerin. «Ich sehe ein grosses Problem darin, dass diese noch jungen Kulturgüter in ihrem Bestand gefährdet sind.» Nicht nur die grossen Kathedralen und Klosterkirchen früherer Jahrhunderte seien erhaltenswert. «Wir müssen uns auch unserer jüngeren Geschichte bewusst sein.»

Die Quartierentwicklung berücksichtigen

Oftmals seien Kirchengemeinden jedoch mit der schwierigen Suche nach alternativen Verwendungen für Kirchengebäude überfordert, beobachtet Klauser. «Da lastet enorm viel Verantwortung auf den Schultern der Kirchengemeinden, die ja in der Regel keine Experten im Immobilienmanagement sind.» Die Umnutzung von Kirchen, die oftmals auch das Ortsbild prägten, müsse jedoch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein. Die Kunsthistorikerin verwies auf das Beispiel Belgien: Dort werde nicht, wie in Deutschland bislang üblich, über jeden Fall getrennt beraten. «Jeder Einzelfall kostet unglaublich viel Energie, und es wäre sehr viel sinnvoller und effizienter, in einem Masterplan den kirchlichen Gebäudebestand schon mal im Groben zu skizzieren und die kommunalen Entwicklungen bestimmter Quartiere einfliessen zu lassen.» So könne bei Plänen für Umnutzungen berücksichtigt werden, welche Räume in der Kommune gebraucht würden, zum Beispiel für Mittagsbetreuung von Schulkindern, für Vereine oder soziale Einrichtungen.

Zentrale Anlaufstelle gefordert

Ein grosses Problem bei der Umnutzung von Kirchen sei fehlendes Geld, stellte Klauser fest. Bislang werde nicht hinreichend nach Finanzierungs- und Trägermodellen gesucht. Sie plädierte für die Gründung einer entsprechenden Stiftung oder eines Fördervereins nach dem Modell der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. «Dieser Verein sollte aber nicht nur den Erhalt der Bausubstanz der Kirchengebäude fördern können, sondern auch Projekte, die dort einziehen.» Die Forschungsgruppe Sakralraumtransformation arbeitet nach eigenen Angaben in Teilprojekten an verschiedenen Universitäten und Hochschulen. Untersuchungsräume sind Aachen und Leipzig.

Quelle: www.ref.ch, 12. Januar 2024