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Die Pandemie zwingt die Kirche zu sparen

Corona dürfte die Schrumpfungskrise der reformierten Berner Kirche noch verschärfen. In Biel etwa ist der Ertrag der Kirchensteuern bereits rückläufig.

50 Personen dürfen derzeit maximal einem Gottesdienst in einer Kirche beiwohnen. Mit Corona-konformem Abstand und Schutzmaske, versteht sich. Die Pandemie dürfte die Landeskirchen im Kanton Bern allerdings zu noch umfassenderen Einschränkungen zwingen. Um 450 Millionen Franken würden die Steuereinnahmen des Kantons Bern 2021 wegen der Corona-Krise unter dem budgetierten Betrag liegen. Das kündigte der Berner Steuerverwalter Claudio Fischer im letzten August an. Weil die Erhebung der Kirchensteuern an diejenige der Kantons- und Gemeindesteuern gekoppelt ist, werden sich also auch die Kirchen auf empfindliche Einbussen einstellen müssen.

Kirchgemeinde Biel zieht Sparbremse

Die Gesamtkirchgemeinde Biel-Bienne bekam den Corona-Backlash schon im Pandemiejahr 2020 zu spüren. «Bereits im letzten Juni waren unsere Steuereinnahmen tiefer als im Juni des Vorjahres», sagt Christoph Grupp, Präsident der deutschsprachigen Kirchgemeinde Biel und Grossrat der Grünen Partei. Schon damals hätten natürliche Personen wie auch Unternehmen wegen Corona-Verlusten einen Aufschub ihrer Steuerzahlungen ausgehandelt. Am Ende des letzten Jahres lagen die Steuereinnahmen seiner Kirchgemeinde dann «ein Fünftel bis ein Viertel» unter dem budgetierten Betrag, weiss Grupp. Das könnte einen Rückgriff auf Eigenkapital nötig machen. Die Kirchgemeinde Biel hat die Sparbremse gezogen. Ihr Budget 2021 habe sie einer linearen Kürzung um 5 Prozent unterzogen, sagt Grupp. Auch das Budget 2022 werde man anpassen müssen. Wie die Gemeinde ist in der Industriestadt Biel auch die Kirche in überdurchschnittlichem Masse von den Steuern der Unternehmen abhängig. «In einem guten Jahr zahlen die Unternehmen in Biel ein Drittel der Kirchensteuern», sagt Grupp. 2021 könnte der Anteil auf 20 Prozent sinken. In der Reformierten Kantonalkirche Bern-Jura-Solothurn waren es im Schnitt der Jahre 2015 bis 2019 bloss 16,5 Prozent. Dass gerade in Biel die exportorientierten Unternehmen an der Corona-Krise leiden, trifft also auch die lokale Kirchgemeinde.

Kantonalkirche erwartet Steuerausfälle

Bei der reformierten Kantonalkirche wird der Rückgang der Steuereinnahmen erst im nächsten Jahr erfolgen. Die Veranlagung der diesjährigen Steuererträge erfolge verzögert auf der Basis der Einkommen von 2019, sagt Sprecher Adrian Hauser. Dennoch sieht der Finanzplan 2022 bis 2025, den die Synode – das Kirchenparlament – im November zur Kenntnis nahm, bereits Sparmassnahmen im Umfang von 3 Millionen Franken vor. Überdies wurde der Lohnanstieg bei den Pfarrern und dem Verwaltungspersonal reduziert und ab einem Jahreslohn von 100’000 Franken gestrichen. Allein im Budget 2021 werden 1,25 Millionen Franken eingespart. In einer Medienmitteilung erklärte die Synode: «Wegen der Corona-Pandemie ist mit Steuerausfällen zu rechnen.» Überdies sei «von einem weiteren Rückgang der Kirchenmitglieder auszugehen.» Im Unterschied zu juristischen Personen, die sich im Kanton Bern nicht von der Kirchensteuerpflicht befreien können, ist es für natürliche Personen möglich, aus der Kirche auszutreten und sich dadurch die Kirchensteuern zu sparen. Kommen nun wegen Corona vermehrt Mitglieder auf die Idee, der reformierten Kirche im Kanton Bern den Rücken zuzudrehen, weil sie in engen finanziellen Verhältnissen stecken und ihre Ausgaben minimieren müssen? «Nein», sagt Adrian Hauser. Die Zahl der Austritte aus finanziellen Gründen sei 2020 gegenüber dem Vorjahr kleiner gewesen. Die Angabe der Gründe ist für die Austretenden allerdings freiwillig. 2020 seien im Kanton Bern sogar rund 1000 Personen weniger ausgetreten als 2019. «Offenbar konnte die Kirche in Krisenzeiten doch beweisen, dass sie eine wichtige gesellschaftliche Rolle spielt», glaubt Hauser.

Mitgliederschwund plus Corona-Einbusse

Eine Herausforderung ist der Cocktail Corona plus Kirchenaustritte für die Gesamtkirchgemeinde Bern. Laut ihrer Kommunikationsverantwortlichen Yvonne Uhlig verliert die reformierte Kirche in der Stadt Bern seit einiger Zeit konstant etwa 1000 Mitglieder im Jahr. Das zwingt die Gesamtkirchgemeinde zu einem Schrumpfungsprozess. Die Umstrukturierung kommt aber nicht voran. Der Versuch, 50 Prozent der Liegenschaftskosten einzusparen und die 12 Stadtberner Kirchgemeinden zu einer grossen Einheit mit Kirchkreisen zu vereinigen, ist vorerst gescheitert und wird derzeit neu lanciert. Corona-bedingte Steuereinbussen könnten es nötig machen, den zähen Reform- und Sparprozess zu beschleunigen. In der Stadt Bern, wo die Marktschwankungen geringer sind als in Biel, zeichnet sich für 2020 laut Uhlig immerhin ab, dass der Anteil der Kirchensteuereinnahmen von Unternehmen mit über 30 Prozent überdurchschnittlich hoch sein dürfte. 2019 betrug er nur 20 Prozent oder 4,6 Millionen Franken. Diese Summe sei übrigens nicht in kultische Zwecke, sondern vollumfänglich in soziale oder kulturelle Aktivitäten investiert worden, sagt Uhlig. Ein Corona-bedingter Rückgang der Kirchensteuern durch Unternehmen dürfte also auch gesellschaftliche Aktivitäten in der Stadt Bern treffen, die von der Kirche unterstützt werden.

Grossrat will freiwillige Kirchensteuer

Das betont die Gesamtkirchgemeinde in einer Stellungnahme zu einer Motion, die der Burgdorfer BDP-Grossrat Francesco Rappa Ende November im Kantonsparlament eingereicht hat. Er fordert, dass Berner Unternehmen künftig nicht mehr zur Zahlung von Kirchensteuern verpflichtet werden, sondern diese freiwillig entrichten. Auslöser seiner Motion seien aber nicht Corona-bedingte Verluste von Unternehmen, sondern das Engagement der Kirche für die Konzernverantwortungsinitiative, sagt Rappa auf Anfrage. Dennoch könnte sein Vorstoss den durch Corona erzeugten Druck auf die Kasse der Kirche noch erhöhen. Weniger düster sieht es übrigens bei der kleineren römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Bern aus. Ihre Finanzlage sei nicht akut bedroht, 2020 habe sie sogar höhere Kirchensteuererträge verzeichnet als 2019, sagt Sprecher Thomas Uhland. Auch die katholischen Kirchgemeinden seien sich aber bewusst, dass sie wegen Corona vorsichtiger budgetieren müssen. Die Katholiken haben zudem einen Vorteil. «Wir sind eine Kirche der Einwanderer, unsere Mitgliederzahl geht langsamer zurück als bei den Reformierten», sagt Uhland.

Quelle: Thuner Tagblatt, 26.02.2021, Stefan von Bergen