headerbild
Logo RefBeJuSo

Fokus 05/2022

Keine Matura, aber den Wunsch, Theologie zu studieren?

Vorbereitung zum Theologiestudium: Die Kirchlich-Theologische Schule in Bern kann helfen. Das in jeder Hinsicht spezielle Gymnasium ist nun dabei, sich für die Zukunft neu auszurichten. Die 31-jährige Thuner Coiffeur-Meisterin Meriel Lannutti hat die Chance gepackt.

Trudy Walter ist ausgebildete Konzert- und Opernsängerin. «In Kirchen zu singen war immer ein besonderes Gefühl», sagt sie. Durch die Musik sei sie mit der Religion verbunden gewesen. «Und mit der Zeit entwickelte sich der starke Wunsch, dieses Gefühl anderen Menschen mit Worten zu vermitteln.» Doch um Pfarrerin zu werden, muss sie Theologie studieren. Und das wiederum setzt die Matura voraus – einen Abschluss, den Trudy Walter nicht vorweisen kann. Vor dem Lockdown stiess sie auf die Kirchlich-Theologische Schule (KTS) in Bern. Sie bewarb sich und wurde aufgenommen. Nun steht sie kurz vor dem Abschluss und freut sich bereits darauf, an der Universität in Bern Theologie zu studieren. «Die KTS hat mich unglaublich gefordert, aber ich wurde auch sehr gefördert», blickt sie zurück. «Die Lehrpersonen vermitteln nicht nur Stoff, sie sind an der Schülerinnen und Schülern als Menschen interessiert und haben viel Feingefühl. Das hat mich sehr berührt!»

Gymnasium mit Tradition

Mit ihren 48 Jahren gehört Trudy Walter eigentlich nicht zur Zielgruppe der KTS. «Wir richten uns speziell an lebenserfahrene Berufsleute ohne Matura-Abschluss zwischen 20 und 40 Jahren», sagt Pfarrer Lorenz Hänni, Leiter der Abteilung KTS am Campus Muristalden. Doch es gehört zum Geist des Gymnasiums, Ausnahmen zu machen. «Wir sind aber nicht einfach eine weitere Möglichkeit, die Matura nachzuholen. Denn das Ziel heisst bei uns nicht Universität, sondern spezifisch das Theologiestudium an den Universitäten Bern oder Basel.» Andere Studiengänge sind bis zum Bachelor nicht möglich. Die KTS operiert im Auftrag der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn und des Konkordats. Über lange Zeit ihrer 50-jährigen Geschichte war sie eine eigenständige Institution, seit 2012 ist sie Teil des Campus Muristalden. «Wir profitieren sehr von den Synergien mit dem Campus», sagt Lorenz Hänni. Der Basler Ableger der KTS musste 2001 seine Türen schliessen.

Maturastoff als Konzentrat

Die KTS vermittelt den Stoff, der für die Matura nötig ist, in konzentrierter Form und in lediglich zwei Jahren. Durch die theologische Ausrichtung gehören Theologie, Latein und Griechisch fest zum zehn Fächer umfassenden Stundenplan, dafür wird auf Chemie und Physik verzichtet. «Zum Teil findet der Unterricht in Klassen des Campus Muristalden statt, zum Teil an der Universität Bern, und zum Teil als Einzelunterricht», sagt Lorenz Hänni. Lernstrategien werden den Schülerinnen und Schülern – derzeit sind es zwei – ebenfalls vermittelt. Ausbildungskosten fallen für die Teilnehmenden keine an; sie werden von den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn und vom Konkordat vollumfänglich übernommen.

Höchst individuell

Schon immer waren kleine Klassen ein Merkmal der KTS. Doch die Entwicklung in jüngster Vergangenheit machte deutlich, dass selbst Klassen von fünf oder sechs Schülerinnen alle zwei Jahre keine Selbstverständlichkeit mehr sind. «Wir sind daher zum Schluss gekommen, den Schulbetrieb neu aufzustellen
und die Schule anders zu positionieren», sagt Hänni. Neu wird das Angebot ganz auf Einzelunterricht nach individuellen Anforderungen der Schülerinnen und Schüler ausgerichtet. «Auch Online-Unterricht wird in Zukunft eine Option sein», sagt Lorenz Hänni. «Es ist an den Lehrpersonen und den Schülerinnen und Schülern, die bestmöglichen Varianten gemeinsam zu finden zu zu nutzen.» Die Eigenverantwortung der Schülerinnen und Schüler wird noch stärker gewichtet als bisher. «Das ist letztlich eine weitere Vorbereitung auf das Studium, das man ja ebenfalls eigenverantwortlich gestalten muss», so Hänni.

Vom Coiffeursalon in die Kirche

Dass das Konzept KTS auch heute noch funktioniert, beweist Meriel Lannutti. Die 31-jährige Thunerin ist Coiffeur-Meisterin und erfuhr von einer Kundin von der KTS. Nach zwei Jahren Vollzeitunterricht schloss sie 2020 die Matura an der KTS ab. Nun studiert sie im 4. Semester Theologie in Bern. Ihr Ziel: Pfarrerin. «Wer ein Theologiestudium anstrebt, ist an der KTS in den besten Händen», sagt sie. «Alles dort bereitet einen auf das Studium vor, und man lernt zudem, wie man am besten lernt.» Man dürfe sich allerdings keine Illusionen machen, denn die Ausbildung sei anstrengend, vor allem das Erlernen der alten Sprachen sei aufwändig. «Doch es lohnt sich!»

Mehr Informationen:
www.theologischeschule.ch

Text-/Bildquellen: reformiert.ch, Juni 2022, www.theologischeschule.ch, Redaktion: Stephanie Keller