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Kanton Bern: Pfarrerin wollte mehr Lohn – und blitzt vor Gericht ab

Erst Jahre nach dem Abschluss in Theologie stieg die Pfarrerin in den Beruf ein. Ihr Einstiegslohn war deshalb kleiner als sie dachte. Zu Recht.

9236.60 Franken. So viel Monatslohn verlangte die Pfarrerin, umgerechnet auf ein 100-Prozent-Pensum, als sie ihre Stelle als Pfarrvertreterin in einer Kirchgemeinde im Kanton Bern antrat. Die Seelsorgerin glaubte, gute Gründe auf ihrer Seite zu haben. Immerhin hatte sie auf ihren Abschluss in Theologie noch einen zweiten Studiengang draufgepackt. Und in dieser Zeit regelmässig pfarramtliche Tätigkeiten wahrgenommen. All das sei in ihrem Lohn gebührend zu berücksichtigen, argumentierte sie.

Kosten fürs Verfahren

Doch die Frau machte die Rechnung ohne die Reformierte Landeskirche. Diese zahlte ihr, wieder umgerechnet auf ein 100-Prozent-Pensum, lediglich 8865.05 Franken pro Monat aus. 371.55 Franken weniger also, und das Monat für Monat. Die Pfarrerin wollte das nicht auf sich sitzen lassen. Sie trat den Gang durch die Instanzen an und führte Beschwerde vor Verwaltungsgericht. Jetzt zeigt sich: Die Mühe lohnte sich nicht. Der Einzelrichter weist ihre Forderungen vollumfänglich ab und brummt ihr obendrein eine Verfahrensgebühr von pauschal 1000 Franken auf.

Komplizierter Mechanismus

Das Urteil wirft ein Schlaglicht darauf, wie kompliziert die Löhne im öffentlichen und staatsnahen Dienst berechnet werden. Massgebend ist ein Modell, das Gehaltsklassen und Gehaltsstufen unterscheidet. Über die Gehaltsklassen entscheidet der Beruf, über die Gehaltsstufen die berufliche Erfahrung, wobei Erfahrungen aus einem Zweitberuf deutlich weniger stark ins Gewicht fallen. Im konkreten Fall reihte die Kirche die Frau als Pfarrvertreterin in die Gehaltsklasse 21 und die Gehaltsstufe 27 ein. An der Gehaltsklasse hatte die Pfarrerin nichts auszusetzen, umso mehr aber an der Gehaltsstufe, die sie um sieben Stufen höher bei 34 angesetzt haben wollte. Sie gewichtete vor allem die Zeit ihrer nebenberuflichen Arbeit für die Kirche höher. Diese Tätigkeit sei nicht mit 6, sondern mit 13 Berufsjahren in die Berechnung einzubeziehen, forderte sie.

Kirche handelte richtig

Die Pfarrerin argumentierte weiter mit ihrer allgemeinen Berufs- und Lebenserfahrung. Tatsächlich hatte sie nach ihrem zweiten Uniabschluss auch noch eine Zeit lang in diesem Tätigkeitsgebiet gearbeitet. Für sie sei es stossend, schlechtergestellt zu werden als Kolleginnen und Kollegen, die direkt nach dem Studienabschluss oder einer Dissertation ins Pfarramt einstiegen, erklärte sie. Das Verwaltungsgericht sieht es anders. Es gesteht der Landeskirche beim Bemessen der Löhne einen gewissen Spielraum zu, solange sie den rechtlichen Rahmen einhalte. Beim Gehalt der Pfarrverweserin sei dies der Fall gewesen. Die Kirche habe «den entscheidwesentlichen Sachverhalt richtig und vollständig erhoben und umfassend begründet», lautet der entscheidende Satz aus dem Urteil.

Noch mehr Lohn

Sogar 10’330.95 Franken. So viel Monatslohn verlangte die Pfarrerin, als sie sich nach einem halben Jahr Vertretung in einer anderen Kirchgemeinde im Vollamt anstellen liess. Doch wieder machte sie die Rechnung ohne die Landeskirche. Diese gewährte ihr lediglich 9858.70 Franken, 472.25 Franken weniger also, und das Monat für Monat. Die Pfarrerin wollte auch diesen Lohn vor Gericht einklagen. Dummerweise hatte ihr die Landeskirche für diesen Lohn keine Verfügung ausgestellt, auf deren Basis sie überhaupt hätte Beschwerde führen können. Die Frau hatte es auch unterlassen, innert der vom Gesetz definierten Frist ein solches Schriftstück einzufordern. Das Verwaltungsgericht tritt deshalb auf diesen Teil der Eingabe erst gar nicht ein.

Die erste Vollzeitstelle

Ein paar grundsätzliche Überlegungen macht sich der Einzelrichter trotzdem, und wieder stützt er die Landeskirche. Diese begründete den tieferen Ansatz damit, dass die Frau ihre erste Vollzeitstelle als Pfarrerin gerade erst angetreten hatte. Lohnansprüche aus dem abzuleiten, was Studienkolleginnen und -kollegen nach 13, 16 oder mehr Berufsjahren verdienten, sei deshalb unzulässig. «Gegen diese Beurteilung bringt die Beschwerdeführerin nichts Stichhaltiges vor», heisst es dazu im Urteil. Von einer Ungleichbehandlung in der Pfarrschaft könne nicht die Rede sein.

Lohnstreitigkeiten sind selten

Der Lohnstreit zwischen der Reformierten Landeskirche und der Pfarrerin ist der erste und bisher einzige seiner Art. Das hält Kirchenschreiber Christian Tappenbeck auf Anfrage der "Berner Zeitung" fest. Und weiter: Dass das Verwaltungsgericht die Beschwerde der Frau in allen Teilen abgewiesen habe, bestärke die Kirche in ihrem Bestreben, «im Interesse der Fairness und der Kohärenz (…) die Gehaltseinreihungen nach objektiven Kriterien vorzunehmen». Laut Tappenbeck legt die Kirche den Pfarrlöhnen nach wie vor die entsprechenden Richtlinien des Kantons zugrunde. Sie orientiert sich dabei an den Gehältern der Gymnasiallehrerinnen und -lehrer. Die Kirche ist erst seit Anfang 2020 für die Besoldung der Pfarrschaft verantwortlich. Zuvor waren die Pfarrlöhne Sache des Kantons. Deshalb schreibt Tappenbeck auch, dass er nur für die letzten gut zwei Jahre sprechen könne.

Quelle: Berner Zeitung, 30.04.2022, Stephan Künzi