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Über 200 reformierte Pfarrer wehren sich gegen Ehe für alle

Die Öffnung der Ehe spaltet die Reformierten. Am Dienstag, 5. November, kommt es an der Abgeordnetenversammlung in Bern zum Showdown.

Am Sonntag im Zürcher Grossmünster: Bundesrat Guy Parmelin und Kirchenbundspräsident Gottfried Locher treten gemeinsam auf und plädieren für Modernisierungen im Staat und in der Kirche. Die ständige Erneuerung sei nicht nur erwünscht, sondern in der Reformation selber angelegt, mahnte Locher in seiner Predigt. Obwohl er die Ehe für alle nicht explizit erwähnte, sind seine Worte durchaus als Aufforderung an die Reformierten zu verstehen, ihm zu folgen. Locher legte sich in diesem Sommer fest und betonte im Interview mit dieser Zeitung, dass es der Landeskirche gut anstehe, den neuen gesellschaftlichen Konsens ernst zu nehmen. Und ganz konkret: Er befür­worte die Ehe für alle und würde gleichgeschlechtliche Paare verheiraten.

Seitdem ist bei den Reformierten Feuer im Dach. Dieses wurde noch durch weitere Stellungnahme etwa vom Aargauer Kirchenrat, der sich auch für die Ehe für alle aussprach, ange­feuert. Viele fühlen sich vom Vorgehen des obersten Protestanten überrumpelt und haben sich formiert. Über zweihundert Pfarrer haben die Erklärung zur Ehe für alle unterzeichnet. Darin wird festgehalten, dass die Unterzeichnenden das Vorgehen und die Verlautbarungen kirchlicher Leitungsgremien nicht akzeptieren. Die Ehe für homosexuelle Menschen zu öffnen, sei nichts anderes als ein «Segen ohne Segenszusage Gottes» – und das komme einem «Missbrauch» von Gottes Namen gleich.

Verschiebung möglich

Die beiden Lager treffen diese Woche aufeinander, an der Abgeordnetenversammlung in Bern. Am Dienstag ist der Beschluss zur Ehe für alle traktandiert. Ob sich das höchste protestantische Gremium zu einer Stellung­nahme durchringen kann, ist indes noch nicht klar. Die welschen Abgeordneten könnten eine Verschiebung des Entscheids be­antragen, schreibt «bref», das Magazin der Reformierten.
Bei den Katholiken drücken sich die höchsten Vertreter vor einer Stellungnahme. Die Schweizer Bischöfe erklärten im Sommer, dass sie nur für die sakramentale Eheschliessung zuständig seien, nicht aber für die Zivilehe.

Heute steht die Ehe in der Schweiz nur heterosexuellen Paaren offen. Seit 2007 ermöglicht es die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlichen Paaren, ihre Beziehung mit gegenseitigen Rechten und Pflichten rechtlich abzusichern, jedoch mit klaren Unterschieden zur Ehe. Ein im Parlament hängiger Gesetzesentwurf sieht die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare vor.

Quelle: Berner Zeitung, 4. November 2019, Gregor Poletti