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Tourismus und Kirchen könnten noch besser zusammenarbeiten

Der Tourismus in Graubünden rüstet sich für die Sommer­saison und die Kirche zieht mit. Der neu gegrün­dete Verein Kirchen und Tourismus Schweiz will die Akteure besser vernetzen.

«Touristen sind in den Ferien beson­ders empfänglich für Spiritualität», sagt Michael Landwehr, Pfarrer in Sa­medan und Präsident des neu gegründeten Vereins Kirchen und Tou­rismus Schweiz. Das sagen mehrere Studien, das sagt auch Urs Wohler, ehemaliger Direktor der Tourismus­destination Engadin Scuol Samnaun Val Müstair. «Kirchen ermöglichen für Touristen eine besondere Bindung zum Ferienort.»

Unerklärlicher Entscheid

Eine gelungene Positionierung im Tourismus bietet den Menschen die Mög­lichkeit, Kirche anders zu erleben, auch ausserhalb vom sonntäglichen Gottesdienst.Beispiele gibt es einige: die Skiweltmeisterschaft in St. Moritz von 2017, wo die Bündner Kir­che zum Thema «Licht und Ver­gäng­lichkeit» und ­einer interaktiven Licht­in­stal­lation einen vielbeachteten Kon­­trastpunkt zur Welt des Spitzensports darstellte. Es gibt das Pilgern auf dem Jakobsweg oder kirch­liche Angebote auf der «Grand Tour of Switzerland», einer Kampagne von Schweiz Tourismus, ähnlich kon­zipiert wie etwa die «Route 66» durch die USA, auf der Touristen die Schweiz im Auto, Zug oder auf dem Motorrad selber entdecken können. Zu den dort angegebenen Sehenswürdigkeiten zählen auch his­to­risch und architektonisch bedeu­ten­de Kir­chen. Die Kirchgemeinde Andeer lan­cierte eine E-Bike-Tour von Kirche zu Kirche im Schams. Und ein ähnliches Angebot ist auch in der Landschaft Davos angedacht. Seit vielen Jahren setzt sich ­Mi­­­chael Landwehr für die Vernetzung von Tourismus und Kirche in der Schweiz und insbesondere in Graubünden ein. Seiner Meinung nach ist das Bewusstsein vieler Kirchenvertreter immer noch zu klein für das grosse Potenzial von Kirche im Tourismus. Zwar könnten Tourismuskantone wie Graubünden, Bern  und das Wallis auf eine gute Vernetzung mit den Tourismusorganisationen zählen. In vielen Kantonalkirchen aber sei der Tourismus kaum ein Thema. Selbst im Dachverband der reformierten Kirchen, in der Evangelischen Kirche Schweiz (EKS), hat der damalige Rat die Kommission Kirche und Tourismus nach fünfzig Jahren aufgelöst. Ein Entscheid, der für Landwehr nicht nachvollziehbar ist. Denn: «Eine professionelle Zusammenarbeit mit der Kirche ist auch von den Tourismusvertretern erwünscht», sagt Landwehr. Man sei eingeladen, am Ferientag von Schweiz Tourismus einen Workshop mit Best-Practice-Beispielen aus Kirche und Tourismus einzuge­ben. Der Ferientag ist die grösste Plattform für Tourismusmarketing in der Schweiz.

Vernetzung stärken

Es sei essenziell, so Landwehr, dass die Mitarbeitenden der Tourismusbranche Ansprechpartner in der Kir­che haben. Ein solches Netzwerk zu pflegen sei mit eine Aufgabe von Kirche in Tourismusorten. Er macht es vor: Im Oberengadin ist der Pfar­rer Markenbotschaf­ter und Herzlichkeitscoach der Tourismusorganisation Engadin St. Moritz. Hier vermittelt er ausserdem, was Gastfreundschaft für die Kirche heisst und wie sie erlebt werden kann. «Die Kirche muss mehr zur Diskussion beitragen, welche Werte im Tourismusgeschäft vertreten sein sollen», so Michael Land­wehr.

Partner sein

Wie das aussehen könnte, diskutieren Pfarrpersonen aus touristischen Kirchgemeinden an den sogenannten «Erfa-Treffen». «Erfa» steht für Erfahrungsaustausch, initiiert hat die neue Plattform Cornelia Mainetti von der Fachstelle Kirche im Tourismus. Das Bedürfnis sich zu vernetzen sei vorhanden, so Mainet­ti, die Teilnehmerzahl sei sehr erfreulich. Am diesjährigen zweiten «Erfa-Treffen» im September werden drei erfahrene Bündner Touristiker mitdiskutieren. Dass die Kirche ein wichtiger tou­ristischer Partner ist, das betont auch Urs Wohler. Der aktuelle Geschäftsleiter der Berner Niesenbahn AG war viele Jahre Mitglied in der Kommission Kirche im Tourismus der Bündner Landeskirche. «Kirchliche Angebote machen Fe­rien­er­in­nerungen wertvoll, weil sie identitätsstiftend sind.»

Mitreden im Tourismus

Fünfzehn Persönlichkeiten aus kirchlichen und touristischen Kreisen haben den Verein Kirchen und Tourismus Schweiz im Februar im Alpinen Mu­seum der Schweiz in Bern gegründet. Der ökumenische Verein will christli­che sowie ethische Werte in die Denkweisen und Arbeitsprozesse des Tourismus einfliessen lassen. Nebst dem Präsident Michael Landwehr aus Samedan gehören zur Geschäftsleitung Christian Cebulj, Rektor der Theologischen Hochschule Chur, Joëlle Walther, reformierte Kirche Genf und Stefan Otz, Touristiker.

www.gr-ref.ch/kirche-im-tourismus

Quelle: reformiert.info, 25. Juni 2020, Rita Gianelli