headerbild
Logo RefBeJuSo

Neu entdeckter Brief Bonhoeffers an Gandhi übersetzt

Der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer bewunderte den Unabhängigkeitskämpfer Mahatma Gandhi und wollte ihn in Indien besuchen. Ein vor kurzem aufgetauchter Brief Bonhoeffers an Gandhi liegt nun in deutscher Übersetzung vor.

Der Brief Bonhoeffers an Mahatma Gandhi galt lange Zeit als verschollen. Von seiner Existenz wusste man lediglich durch Gandhis Antwortschreiben. Ein indischer Historiker entdeckte ihn schliesslich 2018 in den Gandhi-Dokumenten im Nehru Memorial Museum & Library in New Delhi. Nun ist Bonhoeffers Brief erstmals in deutscher Übersetzung im evangelischen Monatsmagazin «Zeitzeichen» erschienen. Die Übersetzung stammt von dem Bonhoeffer-Forscher Wolfgang Huber, der von 2003 bis 2009 Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland war. Der Brief ist auf den 27. Oktober 1934 datiert und auf Englisch verfasst.

Sorge über den nahenden Krieg

Bonhoeffer bittet Gandhi darin, ihn in dessen Ashram in Indien besuchen zu dürfen. Gandhis Prinzip des «gewaltlosen Widerstands» interessierte ihn sehr. Der Brief drückt auch die Sorge über einen nahenden Krieg in Europa aus. Bonhoeffer war der Auffassung, Europa brauche «eine wirklich geistlich geprägte und lebendige christliche Friedensbewegung». Bonhoeffer äussert zudem Zweifel an der Rolle der Kirchen mehr als ein Jahr nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten. Die Bekennende Kirche, der er angehörte, hatte sich ein knappes halbes Jahr zuvor auf ihrer Bekenntnissynode in Wuppertal-Barmen formiert. Bonhoeffer war zum Zeitpunkt des Briefs 28 Jahre alt und betreute als Pfarrer zwei deutsche Gemeinden in London. Gandhi lud den jungen Theologen in seiner Antwort vom 1. November 1934 nach Indien ein.

Dringlichere Aufgaben in Deutschland

Bonhoeffer sei der Einladung aber nicht nachgekommen, schreibt Huber in «Zeitzeichen». Stattdessen habe er das Predigerseminar in Finkenwalde gegründet. «Die Aufgabe, Pfarrer auszubilden, die etwas gegen die geistliche Auszehrung der Christenheit in Deutschland tun und sie dadurch auch zum Widerstand fähig machen könnten, war für ihn dringlicher», schreibt Huber. Bonhoeffer wurde wenige Wochen vor Ende des Zweiten Weltkriegs – am 9. April 1945 – im Konzentrationslager Flossenbürg bei Regensburg hingerichtet, weil er an der Vorbereitung des Attentats auf Adolf Hitler am 22. Juli 1944 beteiligt gewesen war.

Quelle: www.ref.ch, 30. März 2020