headerbild
Logo RefBeJuSo

Kanton Bern: Freidenker von Kirchensteuer befreit

Bisher mussten die Freidenker im Kanton Bern Kirchensteuern bezahlen. Nach dem Verkauf einer Liegenschaft haben sie sich vor Gericht dagegen gewehrt – und Recht bekommen.

Die Freidenker-Vereinigung der Schweiz hat allen Grund zur Freude. «Freidenker bezahlen nie mehr Kirchensteuer», steht auf ihrer Website. So hat es ein Steuergericht des Kantons Bern kürzlich entschieden. Die Freidenker engagieren sich für die Trennung von Kirche und Staat und für eine säkulare Gesellschaft. Diesem Anliegen sind sie zumindest etwas näher gekommen mit dem Erfolg vor Gericht. Der Entscheid der Berner Steuerrekurskommission geht auf eine Beschwerde der Freidenker zurück. Als juristische Person war der Verein bisher verpflichtet, Kirchensteuern zu bezahlen – ein Umstand, den die Freidenker zähneknirschend akzeptierten. «Wegen einiger Dutzend Franken pro Jahr wollten wir den Staat nicht unnötig beschäftigen», sagt Präsident Andreas Kyriacou auf Anfrage von ref.ch.

Ein symbolischer Sieg

Kirchensteuern werden bei juristischen Personen im Kanton Bern in zwei Fällen erhoben: Zum einen auf den Gewinn und das Kapital, zum anderen auf den Gewinn beim Verkauf eines Grundstücks. Letzteres ist schweizweit eine Seltenheit. Nur die Kantone Bern, Solothurn und Jura kennen eine Kirchensteuer auf Grundstückgewinne. Als die Freidenker 2021 eine Liegenschaft verkauften, mussten sie deshalb einen Teil des Gewinns an die Landeskirchen abtreten. «Dieser hätte sich auf gut 8000 Franken belaufen», sagt Kyriacou. Damit war die Schmerzgrenze für die Vereinigung erreicht: Die Freidenker legten Beschwerde ein – und haben nun Recht bekommen. Juristische Personen mit gemeinnützigen oder religiösen Zwecken sind von der Kirchensteuerpflicht ausgenommen. Ausgerechnet letzteres trifft laut der Steuerrekurskommission in diesem Fall auf die Freidenker zu: Sie seien nicht anders zu behandeln als die Freikirchen, die ebenfalls von der Kirchensteuerpflicht ausgenommen sind. Kyriacou stört sich nicht an dieser Argumentation. «Die Begründung des Urteils legitimiert die Freidenker-Vereinigung als Vertreterin einer Weltanschauung», sagt er. Diese müsse nicht unbedingt aus religiösen Überzeugungen bestehen.

Die Entscheidung der Steuerkurskommission ist rechtskräftig. Weder die Steuerverwaltung des Kantons Bern, noch die beschwerdeberechtigten Landeskirchen haben sie weitergezogen. «Wir haben das Geld inklusive der Zinsen von der Steuerverwaltung des Kantons Bern zurückerhalten», sagt Kyriacou. Ein Wermutstropfen bleibt den Freidenkern allerdings. «Wären wir mit den Landeskirchen gleichgestellt, hätten wir über 200'000 Franken gespart», sagt Kyriacou. Denn anders als die Freikirchen oder die Freidenker müssen die Landeskirchen Gewinne aus Grundstückverkäufen gar nicht versteuern – auch beim Kanton und der Gemeinde nicht, was finanziell viel stärker ins Gewicht fällt als die Kirchensteuer.

Ein Einzelfall

Unter Umständen bleibt es bei den Freidenkern aber nicht nur bei der Befreiung von der Kirchensteuer. Das Urteil könnte auch Folgen haben für ihre Steuerpflicht gegenüber Kanton und Gemeinde. Juristische Personen wie Freikirchen, die Kultuszwecke verfolgen, sind nämlich nicht nur von der Kirchensteuer befreit, sondern auch von den Gewinn- und Kapitalsteuern, die Kanton und Gemeinde erheben. Das ist bei den Freidenkern bisher aber nicht der Fall – obwohl die Steuerrekurskommission sie gleich einstuft wie die Freikirchen. «Es handelt sich beim Entscheid um einen eher seltenen Fall», sagt Bodo Frick, Kommunikationsverantwortlicher der Berner Steuerverwaltung. Diese prüfe zurzeit die Bedeutung des Urteils und kläre ab, ob weitere Organisationen davon betroffen seien. «Auch die Freidenker-Vereinigung könnte eine Steuerbefreiung wegen Kultuszwecken verlangen», sagt Frick. Allerdings müsste geprüft werden, ob sie sie Kultuszwecke mit entsprechenden Ritualen verfolgt. Zumindest die Steuerrekurskommission scheint dazu schon eine Meinung zu haben. In ihrem Urteil schreibt sie, dass die Freidenker-Vereinigung für Lebensereignisse wie Geburten, Heiraten oder Tod weltliche Rituale als Alternative zu religiösen Zeremonien anbietet. Nicht zuletzt deshalb setzt sie die Freidenker juristisch mit den Freikirchen gleich. Sich für eine generelle Befreiung von der Gewinn- und Kapitalsteuerpflicht gegenüber dem Kanton und der Gemeinde einzusetzen, sei kein Thema für die Freidenker, sagt Präsident Andreas Kyriacou. «Der kultische Teil ist der letzte, der eine Sonderbehandlung des Staates verdient.» Er befürworte es, wenn Freikirchen für gemeinnützige Dienste von den Steuern befreit werden – so wie die Freidenker auch. Eine staatliche Steuerbefreiung für die Verfolgung eines Kultuszwecks lehnt er dagegen ab.

Befreiung von den Kapital- und Gewinnsteuern

Die Freidenker-Vereinigung der Schweiz wurde 1908 gegründet. Sie lehnt es unter anderem ab, dass die Kantone Steuern für die Landeskirchen einziehen. Seit 2014 gelten manche ihrer Tätigkeiten als gemeinnützig – beispielsweise einige Bildungsanlässe. Diese Bereiche waren deshalb bereits vor dem Urteil von der Steuerpflicht befreit. Gewinne und Kapital, die beispielsweise mit der politischen Arbeit in Zusammenhang stehen, muss die Organisation aber versteuern. Grundstückgewinnsteuern müssen juristische Personen zudem unabhängig davon bezahlen, ob sie steuerbefreit sind oder nicht.

Quelle: www.ref.ch, Fabio Peter, 20. März 2023