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Berner Oberland: Auf den Spuren der «Wisinburcs» in der Kirche Oberwil

In der Kirche Oberwil, wohl ein Vermächtnis der Freiherren von Weissenburg, zeugt seit 500 Jahren ein gläsernes Denkmal von diesem adligen Geschlecht.

In den Geschichtsbüchern liest man, dass die Gegend um Oberwil einst hochburgundisches Eigengut war. Anno 994 kam sie durch eine Schenkung des deutschen Kaisers Otto lll. als Bestandteil des Eigenhofs Wimmis an das Kloster Selz im Elsass. Später verkaufte dieses Kloster seine Eigengüter und Eigenleute im «Siebental» der Propstei Därstetten. Als Mitte des 13. Jahrhunderts die «Wisinburc», die Freiherren von Weissenburg, ihre Macht durch Heirat, Erbschaft, Krieg und geschickten Manipulationen ausweiteten, gelangten Erlenbach, Därstetten, Diemtigen, Wimmis und Oberwil unter ihre Herrschaft. Somit kam nebst der Burg Weissenburg, ihrem Stammessitz, 1268 auch die Burg Wimmis in ihren Besitz. Diese Feste am Taleingang diente möglicherweise als Vorbild für ihr Wappen. Es zeigt eine weisse Doppelburg, anscheinend das damalige Aussehen der Burg von Wimmis, auf rotem Grund. Man nimmt an, dass die Kirche Oberwil eine Stiftung der Freiherren von Weissenburg war. Deren Wappen kann man seit 1520 unter anderem noch in der Kirche Oberwil sehen.

500-jähriges Kunstwerk

Laut einem von der Reformierten Kirchgemeinde Oberwil 1985 herausgegebenen Büchlein ist die Kirche dem heiligen Mauritius geweiht und wurde 1228 erstmals erwähnt. Autor dieser Schrift ist der aus Oberwil stammende und heute in Bern wohnhafte Architekt Arnold Blatti. Die Grundlage zu diesem Kirchenführer war eine seiner Semesterarbeiten während seines Studiums an der Fachhochschule Biel. Er erwähnt darin auch, dass Oberwil früher Beriswil hiess, und man meinte damit wohl die Gegend der heutigen Weiler Zelg, Kreuzgasse und Bawald. Dörfli, der Standort der Kirche, und Hüpbach umfassten den Weiler Oberwil, bevor dieser Name für die politische Gemeinde verwendet wurde. Im Innern der Kirche ziert eine dekorative Wappenscheibe in leuchtenden Farben das mittlere Fenster der Chor-Ostwand. Als Vorlage für diese Wappenscheibe, die vom Berner Glaser Jacob Stächeli vor 500 Jahren angefertigt wurde, diente das Wappen der Freiherren von Weissenburg. Stächelis Glasgemälde zeigt zu beiden Seiten des einfachen rot-weissen Wappenschildes zwei ein Feston haltende Engel. Sie stehen in Diakonentracht vor einem hobelspanartigen Damasthintergrund. Der rechte trägt eine roh gezeichnete, goldbrokatene Dalmatika. Darunter halten zwei kleine, geflügelte Putten ein Spruchband mit der Jahrzahl 1520. Man nimmt an, dass das Werk ein Geschenk des Amts Niedersimmental zum Abschluss der Chorrenovation von 1507 bis 1520 war, wo laut Blattis Angaben unter anderem das hölzerne Tonnengewölbe mit spätgotischen Flachschnitzereien eingebaut wurde.

Noch heute leuchtet das Wappen

Genau 100 Jahre jünger ist die aus Tannenholz mit Hartholzeinlagen hergestellte Kanzel. Der Berner Architekt ordnet sie dem bescheidenen Stil der Renaissance zu. Auf der Untersicht des Schalldeckels steht Folgendes: «Moritz Aechler Bredikant und Valentin Ülschi Seckelmeist.» Ebenfalls in derselben Zeit wie die Kanzel ist der spätgotische Taufstein gefertigt worden. Sockelplatte und Beckengesimse, in achteckiger Grundform gehauen, sind durch geschweiftes, sich kreuzendes Masswerk verbunden. Der hölzerne Taufsteindeckel ist mit Intarsien und einem Vers aus dem 1. Johannesbrief versehen. Vor rund 650 Jahren starb mit Johann von Weissenburg der letzte seines Geschlechts. Dessen Güter wurden an seine Schwester Katharina, verehelicht mit Thüring von Brandis, vererbt. Bern erwarb rund ein Jahrzehnt später von den Brandis deren Weissenburger Besitz im Simmental, nämlich die Gerichte Weissenburg, Obersimmental, Därstetten, Erlenbach und Oberwil. Und ist auch die Macht der Freiherren von Weissenburg längstens untergegangen, sieht man deren Wappen, wenn man in der Kirche Oberwil gegen Osten, eben gegen Weissenburg, zum grossen Fenster im Chor blickt, bei jedem Sonnenaufgang hell leuchten.

Quelle: Berner Zeitung, 17.06.2020, Hans Heimann